Was triggert zwei überaus erfahrene Geomatik-Spezialisten? Die Möglichkeit zur Mitwirkung an einem einzigartigen, gleich mehrfach herausfordernden Pionierprojekt! Marco Graf und Fadri Jecklin von InfraDigital, waren hell begeistert, als ein Unternehmen für Solaranlagenplanung und -installation mit einer besonderen Anfrage auf sie zukam. Aus einer Machbarkeitsprüfung, bei der Solarmodule an einem steilen Berghang installiert werden sollten, wurde ein Pionierprojekt, bei dem im Endausbau 5.700 grosse Panels in über 2000 Metern auf einer Fläche von 330.000 Quadratmetern alpines Sonnenlicht einfangen und Energie erzeugen. Um die Umsetzung des Projekts voranzutreiben, bündelten drei Unternehmen unterschiedlicher Expertise ihre spezifischen Kompetenzen zur Zendra AG: InfraDigital AG, die sich als Wegbereiter im Bereich Digitales Bauen versteht, Reech AG als Spezialisten für alpine Photovoltaiklösungen und X Statik AG, das Ingenieurbüro für aussergewöhnliche Bauten und Anforderungen.
Die Umsetzung des Solarparks SedrunSolar, in der Nähe des Bündner Dorfes Sedrun, steht unter grossem Erfolgsdruck. Es ist die erste alpine Grossanlage, die im Rahmen von Solarexpress – der ehrgeizigen, nicht unumstrittenen Schweizer Initiative zur Förderung des Baus alpiner Photovoltaikanlagen – erstellt wird. Für Graf ist das Projekt weit mehr als nur eine berufliche Herausforderung, es ist auch ein Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft. „Ich erachte Solarenergie und insgesamt alle erneuerbaren Energien als sehr wichtig. Besonders spannend bei diesem Projekt war, dass wir damit wortwörtlich auf der grünen Wiese angefangen haben. Es gab keine bestehenden Systeme, so dass wir die Möglichkeit zur Entwicklung digital komplett durchgängiger Prozesse hatten.“
Solarexpress hat das Ziel, die heimische Stromproduktion auszubauen, um saisonale und wetterbedingte Schwankungen auszugleichen und dabei insbesondere die Winterstromlücke zu schliessen. Die aktuell im Rahmen von Solarexpress laufenden Projekte befinden sich in unterschiedlichen Phasen von Genehmigung und Entwicklung. Jecklin erklärt: „Diese alpinen Solarparks sind für alle etwas völlig Neues; mich faszinieren sie sehr. Der Nachhaltigkeitsaspekt der erneuerbaren Energien hat für mich grösste Bedeutung. Und da ich auf meinem eigenen Haus eine Solaranlage stehen habe, spielt hier auch persönliches Interesse mit hinein.“
Schnell wurde dem Zendra-Team bewusst, dass es sich beim Projekt SedrunSolar nicht um eine gewöhnliche Solaranlage handelt. In der Schweiz steigt der Druck spürbar, alternative Energiequellen zu erschliessen. Zusätzlich verstärkt wird dies noch durch die Folgen des sich beschleunigenden Klimawandels. Die Prognose, dass der Strombedarf in der Schweiz weiter deutlich steigen wird, wirkt zusätzlich als kräftiger Treiber von Projekten im Bereich erneuerbare Energien. Laut Stromversorgungsgesetz soll deswegen die gesamtschweizersiche Photovoltaikleistung bis 2035 im Vergleich zu heute verfünffacht und bis 2050 fast verzehnfacht werden – auf 45 TWh.
Der Solarexpress stellt mit dem Projekt SedrunSolar auch das technische Können und die Innovationskraft des Teams vor einen Berg an Herausforderungen: In über 2000 Metern Höhe gelegen, birgt das Projekt in der alpinen Zone einzigartige Herausforderungen: steiles Gelände, schwere Schneelasten, extreme Winde, ein empfindliches Ökosystem und nur ein kurzes Bauzeitfenster. „Man kann hier oben lediglich während ein paar Monaten im Jahr arbeiten“, erklärt Jecklin. „Wir starten mit dem Bau im Mai, doch bereits im Oktober kann schon wieder der erste Schnee fallen.“
Die harschen Bedingungen in der alpinen Zone schmälern nicht nur das Zeitfenster, sondern erschweren auch die Montagearbeiten erheblich. Jeder der 5.700 Solartische misst 7,5 mal 2,5 Meter und muss mindestens drei Meter über dem Boden stehen, um auch grosse Schneehöhen zu überragen. Das steinige Gelände erfordert die individuelle Fertigung jeder einzelnen Stütze zur Anpassung an die jeweiligen Felskonturen. Durch die sorgfältige Evaluation der Platzierung können der Eingriff in die Natur minimiert und zugleich die Energieausbeute maximiert werden.
Extrem anspruchsvoll ist das Projekt auch aus logistischer Sicht: Die Rücksichtnahme auf Naturschutzgebiete, kostspielige Materialtransporte per Helikopter sowie die ingenieurtechnische Herausforderung, Konstruktionen zu entwickeln, die extremen alpinen Bedingungen wie starken Winden und „kriechendem Schnee“ standhalten – einer enormen Kraft, die entsteht, wenn Schneemassen langsam talwärts rutschen und Druck auf die Stützen ausüben.
Von ausschlaggebender Bedeutung für den Projekterfolg des Solarparks in Sedrun war jedoch die lokale Bevölkerung. „Dieses Projekt wäre ohne die Akzeptanz der Öffentlichkeit gescheitert und eine Ablehnung hätte für zukünftige Projekte eine negative Wirkung“, räumt Graf ein. „Wir mussten aufzeigen, wie wir auf die zahlreichen Bedenken eingehen und die Belastungen am Berg so gering wie möglich halten.“
„Digitale Technologie waren entscheidend für die Realisierung des Projektes“, sagt Graf. „Die Eingaben für das optimale Design mussten umfassend und sehr genau sein, und viele verschiedene Anspruchsgruppen mussten die Details prüfen und verstehen können. Ohne eine zentrale Informationsdatenbank wären Zeit- und Kostenaufwand für ein Projekt dieser Grössenordnung nicht tragbar gewesen.“
Statt auf konventionelle Methoden zu setzen, entschied sich das Team für eine Digital-First-Strategie auf Basis eines umfassenden digitalen Zwillings des gesamten Projekts. Alle Daten aus unterschiedlichen Quellen – darunter frei verfügbare Luftbilder und eigens erfasste Airborne-Laserscandaten (ALS) – wurden mitsamt den Planungsdaten in Trimble Connect gespeichert. Diese Datengrundlage bildete die Basis für die parametrische Platzierung der Solartische im Gelände durch InfraDigital.
Dieses digitale Fundament wurde zur zentralen Informationsquelle für die Kommunikation und Abstimmung zwischen und mit allen Beteiligten. „Trimble Connect ist ein sehr benutzerfreundliches Tool, um Daten zu verwalten und zu teilen“, erklärt Graf. „Wir haben alle Stakeholder eingebunden – vom Energieunternehmen über Planungsexperten bis zu Umweltschutzgruppen. Alle hatten Zugriff auf dasselbe Modell und damit ein gemeinsames Verständnis für das Projekt.“
Dem Projekt zum entscheidenden Durchbruch verhalf der Einsatz von Augmented Reality. Um die Akzeptanz der Anwohner und im Besonderen die der Grundeigentümer zu gewinnen, wurde das digitale Modell mit Trimble SiteVision direkt aus der Cloud auf ein iPad geladen und in Echtzeit über das Gelände projiziert. Die massstabsgetreue Visualisierung des geplanten Solarparks in der realen Umgebung ermöglichte es allen Interessierten, sich direkt an Ort und Stelle ein Bild der Umsetzung zu machen.
„Bereits in einer frühen Projektphase haben wir das digitalen Modell auf diese Weise zum Leben erweckt. Dadurch ist es uns gelungen, abstrakte Bedenken in konkretes Verständnis zu verwandelt“, sagt Jecklin. „Das war für die öffentliche Akzeptanz enorm wichtig.“ Umweltschutzorganisationen und Anwohner konnten genau sehen, wie die Anlage aus verschiedenen Blickwinkeln wirken wird. „Wenn man offen kommuniziert und transparent informiert, sind die Menschen eher bereit, ein solches Projekt zuzulassen“, ergänzt Jecklin. Im August 2023 stimmte die Bevölkerung dem Projekt dann zu.
Die Visualisierung brachte auch aus technischer Sicht Vorteile: ¨Die ALLNAV entwickelte auf deren Datenbasis eine massgeschneiderte Trimble-Access-App, um die Absteckungspunkte für die Solartische einfacher zu bestimmen.
Nach Zusicherung sämtlicher Genehmigungen begann die Bauphase. Auf die durch das Team erstellten drei Testtische folgte nach Eingang der Baubewilligung durch den Kanton Graubünden im Mai 2024 die Montage 20 weiterer. Das Projekt hat im Sommer gestartet, Ende des Jahres werden 10% der späteren Energieproduktion bereits realisiert sein. Im Jahr 2028 sollen dann alle 5.700 Solartische stehen und Strom für rund 6.500 Haushalte liefern. Etwa die Hälfte davon wird im Winter produziert – genau dann, wenn der Bedarf besonders hoch ist.
Das digitale Modell bildet das Rückgrat von SedrunSolar- Es enthält detaillierte Angaben zu jedem Tisch, inklusive aller Spezifikationen für die industrielle Fertigung. Die in Trimble Connect erstellten Stücklisten werden an den Stahlbauer weitergegeben, der die exakten Masse zur Fertigung benötigt. „Jeder Tisch ist anders und muss separat, korrekt und absolut präzise gefertigt werden“, erklärt Graf. „Wenn der Helikopter den Tisch für die Montage am Berg anliefert, muss er exakt passen – sonst verlieren wir wertvolle Zeit.“
Das Bauunternehmen CrestaGeo entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Zendra-Team innovative Lösungen; beispielsweise eine speziell ausgerüstete Bohrmaschine mit Trimble Groundworks-Software, die die Absteckung der Bohrlöcher automatisiert. Mit dieser gelingt es, Material, Zeit und Eingriffe in die Natur zu reduzieren.
Mit dem geplanten Hochfahren des Projekts, wenn drei Spezialbohrmaschinen gleichzeitig im Einsatz stehen, warten bereits weitere Herausforderungen auf das Team: Dann überarbeiten sie bereits die Absteck-App und führen neue Systeme ein, um Baudaten mit Standortinformationen und Bildern zu sammeln.
Der durchgängig digitale Workflow unterstützt jede Projektphase – von Planung und Design über Vermessung und Bau bis hin zum Betrieb des Solarparks und einem späteren Rückbau. Alle Bauteil-Informationen bleiben für die Zukunft abrufbar. „Auch nach Abschluss der Bauarbeiten wird das digitale Modell unverzichtbar bleiben, denn Daten sind für die Instandhaltung und im betrieblichen Unterhaltsprozess extrem wichtig“, bestätigt Graf. „Wir erfassen beispielsweise die Seriennummern sämtlicher Bauteile. So wissen wir in einem Garantiefall genau, wo welches Modul installiert ist.“ Zusätzlich ermöglichen Monitoring-Systeme eine proaktive Wartungsplanung und die Echtzeit-Optimierung der Stromproduktion durch Anpassung an Wetterprognosen und Netzbedarf.
Mit Solarexpress beschreitet die Schweiz einen neuen Weg, um aus der Atomkraft aussteigen, ihre Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu verringern und ihr Ziel von Netto-Null-Emissionen im Jahr 2050 zu erreichen. Während die Schweiz – und mit ihr die Welt – dieses Pionierprojekt aufmerksam verfolgt, zeigt sich der wahre Erfolg vielleicht darin, zu beweisen, was möglich ist, wenn modernste digitale Werkzeuge auf die Ambitionen der erneuerbaren Energien treffen – selbst in den herausforderndsten Gegenden der Erde.